Erinnert sich noch Jemand an „Offene Wettbewerbe“?

Offene Wettbewerbe sind bei uns in Deutschland ungefähr so häufig anzutreffen, wie Pest oder Cholera. Vermutlich liegt das daran, dass diese Wettbewerbsform für Auslober ungefähr genauso attraktiv ist.

Wenn ich Auslober frage, warum das so ist, gibt es immer wieder die gleichen Antworten:

  • zu viel Aufwand
  • zu teuer
  • zu wenig Kontrolle darüber, ob man auch einen qualifizierten Partner bekommt.

Interessanter Weise sind mir alle Befragten bisher eine Antwort schuldig geblieben, ob Sie schon mal einen offenen Wettbewerb erlebt hätten, bei dem am Schluss eine „Gurke“ gewonnen hätte oder der aufgrund zu hoher Kosten abgeblasen werden musste.

Kein Wunder, denn es gibt ja keine offenen Wettbewerbe mehr in Deutschland. Ergo kann auch niemand schlechte Erfahrungen mit Ihnen machen.

Wenn man die Alten fragt, wie das den früher war, als es noch keine VOF (Vergabeordnung für Freiberufliche Leistungen) gab, kommen erstaunliche Antworten: früher waren offene Wettbewerbe normal! Was ist seither geschehen? Sind die Architekten mehr oder doofer geworden? Können Wettbewerbsvorprüfungen nur noch von Menschen mit sechsstelligen Jahresgehältern durchgeführt werden?

Nichts dergleichen trifft zu. Neu ist der Umstand, dass man seine Wettbewerbe jetzt  europaweit ankündigen muss, und das auch nur ab bestimmten Auftragsgrößen. Und dann ist natürlich noch die VOF dazugekommen, bei der fleißig von anderen „Vergabeordnungen“, insbesondere der VOB/A abgekupfert wurde (Obwohl man die Prinzipien der Vergabe von Bauleistungen nicht auf die Vergabe von Planungsleistungen übertragen kann).

Im Ergebnis wurde ein paranoides, scheintransparentes System der Vergabe von Planungsleistungen eingeführt, bei dem unter Anderem die Vielfalt von Ideen auf der Strecke bleibt. Für Otto Normalauslober sieht das dann so aus:

  • Ich muss erst mal gucken, dass nicht so Viele Bewerbungen eintrudeln. Wo kämen wir denn da hin, wenn Jose Gonzalez aus Nosedonde in Hinterandalusien unseren neuen Kindergarten planen würde? Also legen wir erst mal fest, dass ein ordentlicher Jahresumsatz nachzuweisen ist. 500 Mille reicht schon aus, um die erste Spreu vom Weizen zu trennen. Schließlich können da gerade mal noch 5% der Büros in Deutschland mitmachen…
  • Aus lauter Angst, dass das nicht reichen könnte, fragen wir besser noch mal nach, ob die Bewerber auch schon ausreichend Kindergärten mit mindestens siebzehn Gruppenräumen für ethnisch gemischte Kinder evangelischen Glaubens und einer Körpergröße nicht über 79 cm einschließlich Schuhen gebaut haben – möglichst in den letzten drei Jahren einschliesslich Übergabe und Einhaltung der Kosten, der Letzte darf noch im Bau sein…
    Damit schaffen wir es dann, dass sich wirklich nur noch die bewerben, die wir eh haben wollten – und die durch 15 Jahre Filtern gestählten Großbüros, die sowieso jedes Verfahren mitmachen können, weil Ihr Riesenportfolio auf alle denkbaren Lösungen passt.
  • Ich kann dann getrost meinen Wettbewerb mit maximal sieben Teilnehmern starten und mache sicherlich nix falsch – auch wenn das Ergebnis vermutlich eher unter „medioker“ zu verbuchen sein wird und die vielen guten Ideen leider vor der Tür bleiben müssen.

 

Gibt es denn wirklich keine Alternative?

Doch, und die heisst „offener Wettbewerb ohne wenn und aber“.

Zuerst mal zu den Kosten:

Dass bei offenen Wettbewerben mehr Arbeiten (vor-)zuprüfen sind, als bei Nichtoffenen versteht sich von selbst. Aber ist das notwendigerweise ein Problem? Höchsten so lange es nur wenig Auslober gibt, die offenen verfahren durchführen und auch dann nur beschränkt. Man kann nämlich Teilnahmen immer noch im Losverfahren ermitteln, wenn es „zu viele“ Bewerber gibt. Ansonsten: Was spricht dagegen, dreißig oder mehr Arbeiten im Wettbewerb zu haben? Die Kosten? Nicht im Ernst: Gehen wir mal von Prüf- und Jurykosten in Höhe von 15.000 EUR für einen „kleinen“ Wettbewerb aus, dann kommen wir bei 7 Arbeiten auf rund 2000 EUR/Arbeit. Bei Wettbewerben mit 30 Teilnehmern steigen diese Kosten aber nicht linear. Der tatsächliche Mehraufwand ist lediglich die zusätzliche Vorprüfung, die ich mit 250-350 EUR/Arbeit ansetzen kann. Dann kostet mich ein Wettbewerb mit 30 Teilnehmern 7-8000,- EUR mehr als einer mit 7 Teilnehmern – bei deutlich größerer Auswahl and Ideen. Selbst wenn auf einmal 70 Arbeiten vorzuprüfen wären, kämen auf den Auslober vielleicht 20.000 EUR zusätzliche Kosten zu. Bei einem Projekt von 5 Millionen Gesamtkosten sind das noch nicht mal 4 Promille!

Nun zum Aufwand:

Wie gesagt, der mögliche Mehraufwand des offenen Wettbewerbs liegt im Wesentlichen in der Vorprüfung. Hier gibt es unterschiedliche Ansätze, Aufwand und Kosten zu reduzieren, wenn’s denn unbedingt sein muss. Man spart sich aber in jedem Fall den Aufwand der Teilnehmerauswahl. Auch hier kann der Aufwand schnell ein paar tausend EUR ausmachen – das Geld wäre meiner Ansicht nach immer besser in mehr Ideen investiert. Ausserdem kann man damit ein Verfahren deutlich beschleunigen, da ein unter Umständen mehrere Wochen dauernder Schritt einfach entfällt.

Bleibt noch das Thema „Partnerwahl“:

Hierzu gibt es eigentlich nur Eines zu sagen: es stimmt, dass Auftraggeber beim offenen Wettbewerb nicht wissen, wen sie am Schluss bekommen. Das heißt aber nicht, dass der „Auserkorene“ deshalb notwendigerweise keine gute Arbeit abliefert. Und sollten nach Abschluss eines Wettbewerbs Bedenken hinsichtlich der Erfahrung eines Preisträgers bestehen, kann man einen unerfahren Gewinner immer dazu bringen, sich mit erfahreneren Partnern zusammenzutun. Das gab und gibt es immer wieder und hat in der Vergangenheit zu bemerkenswerten Lösungen geführt.

Also: es gibt eigentlich selten einen guten Grund für „nichtoffene Verfahren“. Und sollte mal einer dieser raren Ausnahmefälle zutreffen, geht immer noch Einiges in Richtung mehr Offenheit:

  1. Auslober sollten darauf verzichten, schon im Bewerberverfahren durch unangemessen hohe Kriterien zu „filtern“. Das führt nur zu Wettbewerbsvorteilen für Großbüros, nicht aber zu besseren planerischen Lösungen. Es sollten einfache und klare „Ja/Nein“-Kriterien angewandt werden, die das erforderliche Mindestmaß für eine Qualifikation festlegen. Weiteres Bilden von „Rangfolgen“ durch höhere Punktzahlen ist nicht sachdienlich!
  2. Auslober sollten der Intelligenz Ihrer Jurys vertrauen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die beste Arbeit wird in der Preisgerichstsitzung gefunden, nicht bei der Bewerberauswahl!

Aber wie gesagt: eigentlich spricht nichts gegen offene Wettbewerbe…

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