Erfolgreiche (Hochbau-)Projekte 3: Vergaben und Ihre Risiken

In den vorhergehenden beiden Artikeln habe ich über den Einfluss und die Steuerungsmöglichkeiten in den beiden Themenfeldern Kosten und Risiko- und Change-Management gesprochen . Zum Abschluss meiner kleinen Reihe über Strategien zur Kosten- und Terminsicherheit bei Bauprojekten soll es nun um das Thema Vergaben gehen, unter Anderem auch um die Frage, ob die Beauftragung von Generalunternehmern Risiken wirklich sicher vom Bauherren fern hält.

Der Status Quo

Bei Vergaben dreht es sich am Ende um den entscheidenden Faktor „Geld“. Der Auftraggeber will so viel wie möglich für so wenig wie nötig erhalten, der Auftragnehmer möchte hingegen einen möglichst hohen Gewinn erzielen. Beides sind, innerhalb der Grenzen vertraglicher Fairness, nachvollziehbare und grundsätzlich lautere Absichten.

Der Auftraggeber erreicht sein Ziel, in dem er „das wirtschaftlichste Angebot“ annimmt. Er kann sich aussuchen, nach welchen Kriterien er festlegt, was für Ihn „Wirtschaftlichkeit“ bedeutet.

Für den Auftragnehmer sollte mit Angebotsabgabe rein theoretisch bereits klar sein, welchen Gewinn er am Ende erzielen wird. Da er sich in der Regel „dem Wettbewerb“ stellen muss, wird er sein Angebot an die Marktsituation anpassen müssen. Er ist somit (im Gegensatz zum Auftraggeber) nicht frei in seiner Entscheidung, wenn er einen Auftrag erhalten will.

Dies führt dazu, dass der Auftraggeber mit seiner Definition von „Wirtschaftlichkeit“ das Verhalten der Marktteilnehmer unmittelbar beeinflusst. Der Auftraggeber schafft somit den Markt, der seiner Idee von „Wirtschaftlichkeit“ entspricht.

Dominiert bei Vergabeentscheidungen der Preis, werden die Marktteilnehmer also versuchen, den niedrigsten Preis unabhängig von anderen Kriterien zu erreichen. Dies hat bei uns zwei Dingen geführt:

  1. Da der Preis einer Bauleistung sich in der Regel zu mindestens 50% über die Lohnkosten definiert, sind die Löhne und mit ihnen die Qualifikation der Beschäftigten erheblich gefallen, was zunehmend zu Qualitätsproblemen führt.
  2. Da trotz massiver interner Optimierung bei den Bauunternehmen kaum noch Raum für Preisanpassungen der ausgeschriebenen Leistung bestehen, wird bewusst auf das „Verbessern“ des Ertrages durch nachträgliche Forderungen gesetzt.

Es somit klar, dass für ausführende Unternehmen – seien es General- oder Einzelunternehmer – meistens der einzige Weg zur Gewinnerzielung über erfolgreiche Nachtragsverhandlungen führt. Hier hat jeder Auftraggeber irgendwo eine offene Flanke – sei es aufgrund von Störungen des Bauablaufs, sei es aufgrund von Planänderungen oder aufgrund unklarer Leistungsbeschreibungen.

Die erfolgreichsten Bauunternehmen sind also jene, die am geschicktesten Ausführungs- bzw. Qualitätsmängel vertuschen, vorzeitig Lücken in ihren Verträgen erkennen und Rechtsunsicherheiten des Auftraggebers ausnutzen können. Ist mit solchen Unternehmen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit überhaupt möglich?

Seit ich in dieser Branche (meistens auf Bauherrenseite) arbeite, besteht die Strategie der öffentlichen Hand darin, die Lücken und Schlupflöcher für maliziöse Bauunternehmen zu stopfen. Wie in jedem Krieg entsteht so eine Spirale der Aufrüstung:

  • Leistungsbeschreibungen werden immer detaillierter
  • Abläufe werden immer stärker formalisiert
  • „Anti-Claims-Management“ wird immer wichtiger

Trotzdem sind die Erfolge der Auftraggeberseite – vorsichtig formuliert – eher überschaubar.
Bei uns in Deutschland hat dies, zumindest bei Vergaben der öffentlichen Hand, zu einem „pervertierten“ System geführt, das am Ende die Kosten- und Terminsicherheit gefährden kann.

Nun glauben Viele ( wie hier zum Beispiel die „Hertie School of Governance“), diesem Problem durch Vergaben an Generalunternehmer (GU) Herr werden zu können. Es sprengt den Rahmen dieses Artikels dieses Problem genauer zu beleuchten (werde ich aber an anderer Stelle bestimmt nachholen – versprochen), ich kann aber Eines mit Sicherheit sagen: auch GU-Vergaben stehen vor den selben Problemen, die ich oben aufgeführt habe. Der einzige Effekt einer Vergabe an den GU ist die Risikoverlagerung, nicht aber die Risikobeseitigung. 


Die Vergaberisiken

Ich ordne Vergaberisiken zwei grundsätzlichen Kategorien zu:

  1. Risiken aus  falscher oder lückenhafter Leistungsbeschreibung
  2. Risiken aus einer falschen Partnerwahl

Beide Sachverhalte sind eng mit dem Projektaufbau des Auftraggebers verknüpft und lassen sich daher (zumindest in der Theorie) relativ gut beeinflussen.
Die Leistungsbeschreibung

Die „Vollständigkeit“ einer Leistungsbeschreibung kann man – solange man nur ein einzelnes Gewerk betrachtet und in Deutschland baut – heutzutage relativ einfach prüfen, und zwar anhand der entsprechenden „ATVs“ der VOB/C. Hier gibt es Kataloge all der Fragen, die man einem potentiellen Auftagnehmer im Vorfeld beantworten sollte.

Falsche oder lückenhafte Leistungsbeschreibungen entstehen gerne, wenn der Termindruck während der Planungsphase unnötig hoch ist. Das kann man organisatorisch lösen. Ausserdem ist – gerade bei mehreren Ausschreibern – das Schnittstellenproblem entscheidend:

  • Wer beschreibt welche Leistung?
  • Wie ist das Ineinandergreifen der verschiedenen Gewerke koordiniert und beschrieben?

Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, den Großteil der Bauverträge (80%) vor Baubeginn abzuschliessen. Dies führt zu deutlich mehr Kostensicherheit und ermöglicht es, die einzelnen Leistungspakete besser miteinander zu verzahnen. Außerdem sorgt dies dafür, dass die Planer Ihre Planung weitestgehend abschließen. Dies setzt natürlich voraus, dass auch der Bauherr „fertig ist“ – und nicht etwa auf die Idee kommt, das Programm zu ändern.

Außerdem sollte der Bauablauf zu diesem Zeitpunkt wirklich klar sein. Hierfür reicht der klassische „einfache Balkenplan“ in der Regel nicht aus. Es sollten vielmehr von vorne herein realistische Kapazitätspläne mit Ortsbezug erstellt werden, die die Abfolge von Leistungen gewerkeübergreifend möglichst bereichs- und abschnittsweise allgemeinverständlich darstellen.

Ich halte es hier übrigens für eine gute Strategie, den Bauablauf möglichst „laienkompatibel“ darzustellen – wenn der Bauherr versteht, wie es ablaufen soll, verstehen es die Unternehmen erst recht. Ich kenne kein Bauvorhaben, dass aufgrund eines mehrere Quadratmeter großen „Terminplans“ in 6-Punkt-Schrift besser gelaufen wäre… Die Zeiten, in denen sich pseudokundige „Projektmanager“ mit Balkenplanvoodoo ihre Existenzberechtigung erworben haben, sollten eigentlich vorbei sein.

Die Partnerwahl

Hier liegt die eigentliche Krux: solange es bei Vergaben nur um den Preis geht, wird sich ein Billigheimer-Markt einstellen, in dem Qualität nicht zählen kann. Bei Bauvorhaben „privater“ Bauherren finden wir in der Regel gute Gründe, eine angemessene Vergabeentscheidung zu treffen und geeignete Partner auszuwählen.

Je mehr öffentliche Mittel in einem Projekt sind, desto schwieriger wird dies jedoch: öffentliche Auftraggeber fürchten, bei anzweifelbaren Vergabeentscheidungen vor Gericht gezogen zu werden – leider zu Recht. Die Entscheidung „nach Preis“ ist deshalb für viele Auslober die scheinbar sicherste Wahl, da vor den Vergabekammern kaum anzuzweifeln. Dies  rächt sich spätestens, wenn der erste Nachtrag auf dem Tisch liegt oder wenn die zu billig arbeitende Firma in die Knie geht. Hier ist ein grundsätzliches Umdenken der öffentlichen Hand erforderlich:

  • Mitarbeiter öffentlicher Bauverwaltungen brauchen mehr Rückendeckung und freiere Hand bei Vergabeentscheidungen – Mehr Mut bitte!
  • Weniger Intervention von Rechnungshöfen: wenn man einem im Verfahren unterlegenen Unternehmer mal was zahlen muss, weil er einen Prozess vor einer Vergabekammer gewinnt,ist das noch kein Beinbruch, wenn dafür ein Projekt am Laufen gehalten wird.
  • Es gibt Leistungen, bei denen der Preis als Vergabekriterium nur eine untergeordnete Rolle spielen darf. Für diese Fälle müssen andere, praktikablere Vergabemethoden her.
  • Unternehmen müssen als Partner auf Augenhöhe angenommen werden. Top-Down-Management hat in komplexen Projektstrukturen nicht verloren.
  • qualitative Kriterien müssen stärker gewichtet werden. Es muss ok sein, wenn ein Projektteam sich einen Partner aussucht, der zu Ihm passt.
  • Und wenn es denn mal schiefgeht mit der Partnerwahl müssen umgehend harte, klare Schnitte erfolgen und umgehend Ersatz beschafft werden – darauf müssen sich alle Teammitglieder (also auch die Firmen) einigen – und bitte nicht erst die Rechtsabteilung fragen…

Bei einem guten Projekt haben alle Beteiligten das gleiche Interesse: ein gutes Projekt abzuliefern.

 

 

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